Weltweit schreiben Zentralbanken und kommerzielle Banken die Planung und Realisierung von Cash Centern und Tresoren/ Lager international aus. Die spezialisierten Anbieter bewerben sich deshalb grenzüberschreitend, um ihr international geschätztes Fachwissen zur Bargeldlogistik weltweit zur Verfügung zu stellen. Bei solchen internationalen Projekten sind die Parteien mit unterschiedlichen Formen der Vertragsgestaltung und den Rechtssystemen der jeweiligen Länder konfrontiert.
Um internationale Projekte auch für den Anlagenbau zu erleichtern, wurden die Standardbedingungen der FIDIC-Vertragsmuster geschaffen. Diese erfreuen sich weltweit zunehmender Akzeptanz und sind auch für internationale Cash Center Projekte geeignet. Bereits heute werden FIDIC-Vertragsvorlagen im Bereich aller öffentlichen und von der Weltbank geförderten Bau- und Anlagenbau-Projekte in Mittel- und Osteuropa sowie im Nahen Osten, Indien oder Afrika eingesetzt.
Cash Center sind dem Anlagenbau zuzuordnen
Bei der Konzeption und Realisierung von Cash Centern und Tresoren werden die technischen Komponenten zu einem gebrauchsfähigen Gesamtsystem kombiniert. Die Zielsetzungen betreffen die Anlieferung von Bargeldtransporten, die Bargeldbearbeitung und -vernichtung, die Lagerung der Banknoten und Münzen sowie deren Auftragskommissionierung und den Versand an die Kunden.
Die einzelnen technischen Komponenten wie Bargeldbearbeitungssysteme, Lager- und Förderanlagen, IT-Software- und Sicherheitssysteme werden vom Anlagenbauer zusammengeschaltet, angepasst und optimiert. Dieses Cash Center Konzept wird dann in Verbindung mit Architektur und Haustechnik (Gebäudeausstattung) und dem Steuerungs- und Überwachungskonzept zu einer Gesamtheit, dem Fabrikkonzept.
Die Anlagen für Cash Center und Tresore mit unterschiedlich hohen Bargeld-Durchsatzraten und Beständen sind typischerweise keine Katalogprodukte. Sie werden in der Regel auf das konkrete Bedürfnis des Kunden angepasst und gefertigt. Insoweit handelt es sich bei automatisierten Cash Centern um Anlagenbau-Projekte und somit um typisches Projektgeschäft.
Weil Anlagenbau-Projekte generell mit einem höheren Risiko verbunden sind, sollte der Vertrag auch für internationale Cash Center Projekte ausgelegt sein und die technischen und organisatorischen Besonderheiten und Risiken abbilden. Darüber hinaus sind die Herausforderung in einem grenzüberschreitenden Projekt zu berücksichtigen, wenn Projektbeteiligte aus unterschiedlicher Rechtssystemen aufeinandertreffen.
Die FIDIC-Vertragsmodelle bieten hier eine rechtliche Grundlage, die aus der langjährigen internationalen Praxis im Bau und Anlagenbau entstanden ist. Entsprechende Erfahrungen wurden in ein rechtliches Konzept umgesetzt, das auf eine reibungslose, termingerechte und insgesamt erfolgreiche Projektabwicklung abzielt. Im Gegensatz zu typischen Juristenverträgen werden FIDIC Verträge von allen Parteien, nicht nur von Juristen, sondern auch von technischen Spezialisten und Kaufleuten verstanden und können deshalb praktisch und rechtskonform umgesetzt werden.
FIDIC-Vertragsmuster
FIDIC-Vertragsmuster werden vom internationalen Verbund beratender Ingenieure „Fédération Internationale des Ingenieurs – Conseils“ in Genf erstellt. Deutschland wird in diesem internationalen Verband durch den Verband Beratender Ingenieure (VBI) vertreten.
Im Jahr 1999 erscheinen zunächst vier verschiedene Vertragsmuster, das Red Book, das Yellow Book, das Silver Book und das Green Book. In der Zwischenzeit sind das Blue Book, das Gold Book und das White Book hinzugekommen. Die Bezeichnung der Bücher leitet sich traditionell aus der Farbe des Bucheinbands ab.
Die verschiedenen Vertragsmuster inklusive ihrer laufenden Aktualisierungen sind den in der Bau- und Anlagenbaupraxis vorkommenden Vertragstypen zugeordnet. Für den Anwender der FIDIC-Vertragsmuster ist es daher wichtig, das zutreffende FIDIC-Vertragsmuster für seinen Anwendungsfall auszuwählen.
Das Red Book konzentriert sich auf die Vergabe des Bauwesens und der Anlagentechnik. Der Bauherr erstellt die Entwurf- und Genehmigungsplanung für das Cash Center, die spezialisierten Auftragnehmer bauen das Gebäude und installieren die Cash Center-Ausstattung.
Das White Book regelt das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Generalplaner/ Architekten- und Ingenieurbüro, der mit der Planung und Funktionsbeschreibung des Cash Centers sowie der Überwachung und der Projektrealisierung beauftragt ist. Es richtet sich daher an international tätige Cash Center Ingenieure und Architekten.
Das Yellow Book regelt die Bedingungen in einen Pauschalpreisvertrag für ein funktional ausgeschriebenes Anlagenbauvorhaben. Es ist die Aufgabe des Auftragnehmers die funktionalen Vorgaben des Bauherrn durch eine eigene Ausführungsplanung umzusetzen.
In der heutigen Praxis wird vom Kunden häufig eine Kombination zwischen White Book für den Generalplaner/ Beratenden Ingenieur und Yellow Book für den Bauunternehmer und Anlagenlieferanten angewendet.
Das Silver Book regelt die Bedingungen in einem Pauschalpreisvertrag für schlüsselfertige Cash Center Projekte („Turnkey“ Projekte). Der Auftragsnehmer ist verantwortlich für die komplette Planung und Realisierung des Cash Center Projektes.
Risiko Management in Cash Center-Projekten
Auch wenn ein internationaler FIDIC-Standardvertrag für sich noch keine Garantie für ein erfolgreiches Projekt darstellt, trägt er jedoch maßgeblich dazu bei die Projektrisiken aller Parteien zu beherrschen, weil FIDIC-Verträge keine juristische Wissenschaft postulieren. Grundsätzlich sollte man sich nämlich von der Vorstellung lösen, dass in einem Bau und Anlagenbau-Projekt das Rechtliche abgetrennt und isoliert durch die Rechtsabteilung oder einen externen Juristen erledigt werden kann. Diese Einstellung würde nämlich die Bedeutung verkennen, welche den rechtlichen Belangen in diesen Projekten zukommt. Im Bau und Anlagenbau bezieht sich das Rechtliche nämlich nicht nur auf außerordentliche Situationen, es dient den Projektverantwortlichen auch den normalen Projektablauf zu organisieren.
Zum Risikomanagement gehört der Umgang mit dem Vertrag und seinen Risiken, es ist Teil des Projektmanagementsund gehört in die Verantwortung des Projektleiters. Er muss den Inhalt und die Bedeutung der rechtlichen Bestimmungen kennen und verstehen und sie in sein Handeln einbeziehen, ebenso wie er dies auch hinsichtlich Kosten, dem Zahlungsplan, den Terminen und der Qualitätsanforderungen tut. Die Rechtsabteilung und die Juristen müssen den Projektleiter in rechtlichen Fragen unterstützen. Sie können ihm aber weder die gedankliche Auseinandersetzung mit Rechtsfragen noch die Verantwortung in Fachthemen abnehmen. Andererseits kommt der Jurist nicht umhin, sich mit den spezifischen technischen, kaufmännischen und organisatorischen Anforderungen zu befassen, denn nur so kann der Projektleiter von deren rechtlichen Unterstützung profitieren.
Die Risikoverteilung in FIDIC-Verträgen erfolgt entsprechend den Anforderungen und der Organisation in den Bau- und Anlagenbauprojekten. Die Risikoverteilung wird so gehandhabt, dass weder alle Risiken einer Seite überantwortet werden noch eine Seite vollständig jeglichen Risikos eines Fehlschlagens enthoben ist. Jeder Partei wird das gesetzliche Versprechen abgenommen, dass sie die Risiken so weit übernimmt, als dies der Abwägung beider Parteien entsprochen hätte. FIDIC Verträge sind entsprechend fair und ausgewogen zwischen allen Parteien.
Vertragsmanagement und die besondere Stellung des Beratenden Ingenieurs
In den FIDIC-Verträgen liegt ein besonderes Vertragsmanagementkonzept zugrunde. Im Vertrag zwischen Kunde und Auftragnehmer wird als dritte Person der Beratende Ingenieur integriert. Die Grundidee hinter der herausgehobenen Stellung des Ingenieurs ist, dass der Ingenieur seine Aufgaben fair, ausgewogen und interessengerecht aber vor allem auch sachrechtlich-technisch richtig ausübt.
Obwohl der Ingenieur auf der Seite des Auftraggebers steht, kommt ihm nach der Konzeption der FICIC-Verträge die Funktion eines Streitschlichters (quasi Mediator) zu, der aber zugleich berechtigt ist, mit für beide Parteien mit bindender Wirkung gewisse Entscheidungen zu treffen, da er neben dem Vertragsmanagement auch für die Qualitätskontrolle verantwortlich ist. So kann er insbesondere zusätzliche Leistungen anordnen und die hierfür vom Auftraggeber zu entrichtende zusätzliche Vergütung festlegen.
Durch die Vertragsparteien werden somit einvernehmlich Aufgaben an den Ingenieur delegiert. Ob und inwieweit der Ingenieur dann unmittelbar dem Besteller im Wort steht diese Aufgaben zu erfüllen und inwieweit er hierfür bezahlt wird, muss dann gesondert vertraglich vereinbart werden, und zwar zwischen Kunde und Ingenieur. Hierfür eignet sich das FIDIC White Book als Vertragsmuster.
Zeitmanagement System
Das Zeitmanagement ist ein wesentlicher Bestandteil der Projektdurchführung und gewährleistet die Einhaltung der vereinbarten Zeitpläne. So sollen dem Kunden Ansprüche auf Schadensersatz erhalten bleiben, die sich aus Überschreitung der Ausführungsfristen ergeben. Die FIDIC-Verträge regeln aber nicht nur die Ansprüche, sondern auch das Verfahren, mit dem sie geltend gemacht werden müssen. Zu den Verfahrensregeln gehören Fristenregelungen, Dokumentationspflichten und vieles mehr.
Spezielles Abnahmekonzept
Die Abnahmeverfahren erfolgen in Einzelschritten über einen längeren Zeitraum hinweg. Es beginnt mit den Tests vor der Fertigstellung. Daran schließt sich die Erstellung des "Übergabeprotokolls/Vorabnahme" an. Damit beginnt die Mängelbeseitigungsperiode für Mängel, die bei der Vorabnahme festgestellt wurden oder die während dieser Zeit auftreten. Nach Ablauf dieser Frist wird die so genannte Anlagenabnahme mit "Performance Certificate" erteilt. Da die gesetzliche Mängelgewährleistung in FIDIC-Verträgen weder inhaltlich noch hinsichtlich der Gewährleistungsfrist geregelt ist, steht es den Parteien frei, diese in den "Particular Conditions" von FIDIC zu definieren.
Abschließende Empfehlungen für Cash Center Planungs- und Realisierungsverträge
Gerade Zentralbanken bestehen oft darauf, ihre eigenen Verträge zu formulieren. Diese geben sie dann oft bereits mit der Ausschreibung in den entsprechenden Dokumenten bekannt. FIDIC bietet einen ausgewogenen und fairen Standardvertrag auch für Zentralbanken an, um die Beziehungen zwischen allen beteiligten Fachleuten zu regeln, vom Architekten und Cash-Center-Spezialisten über den Bauunternehmer bis hin zu Lieferanten für Bargeldbearbeitungs- und anderen Automatisierungslösungen.
Ist hingegen vom Auftraggeber nichts vorgegeben, sollte der Cash-Center-Ingenieur und Anlagenbauer selbst einen entsprechenden FIDIC-Vertrag vorschlagen und diesen rechtzeitig, wenn möglichst schon mit seinem Angebot vorlegen. Dem Auftraggeber sollte insoweit von Anfang an bewusst gemacht werden, dass die rechtlichen Belange für den Ingenieur und Anlagenbauer nicht etwas Abstraktes, Abtrennbares sind. Die Vertragsbestimmungen sollten Bestandteil des Angebots und Voraussetzung des angebotenen Preises sein. In Bezug auf die Projektrisken bedeutet dies, dass der Preis, die Technik und das Rechtliche zusammen verhandelt werden.
Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie weitere Informationen für eine professionelle Projektorganisation in Projekten rund um das Bargeldmanagement und dem entsprechenden Vertragsmanagement erfahren wollen.
Quellen:
Dr. G.S. Hök, FIDIC Contract Management, 2008, www.vbi.de; Florian Haupt, Praktikerkommentar zu FIDIC, VDMA Verlag 2012; Maschinenbau-Institut GmbH, Nationale und Internationale Vertragspraxis, Seminarreihe 2023; FIDIC Standard Contracts, www.fidic.org.