Seit es Kryptowährungen wie den Bitcoin mit seiner Blockchain Technologie gibt, hört man immer wieder, die Abschaffung des Bargeldes stünde bevor und vor allem skandinavische Länder mit ihrer weitgehenden Digitalisierung würden dies vorantreiben, allen voran die Schweden, die sogar die Einführung einer eigenen Kryptowährung planen, die sogenannte e-Krone.
Tatsächlich prüft die schwedische Zentralbank die Einführung einer staatlichen, digitalen Währung und die e-Krone könnte bereits ab 2019 in einem begrenzten Pilotprojekt getestet werden. Doch bevor man hierin Zeichen für die vollständige Abschaffung des Bargeldes sieht, sollte man sich genau anschauen, wie es in Schweden zu dieser Entwicklung kam.
Schwedische Besonderheiten begünstigen elektronische Zahlungen
In Schweden bestehen besondere Verhältnisse, die sich mit anderen Ländern nicht ohne Weiteres vergleichen lassen. Im transparenten und wirtschaftlich erfolgreichen Schweden ist das Vertrauen in den Staat und in die Politik traditionell stark, im Gegensatz zu anderen, auch europäischen Ländern, wo das Vertrauen nicht zuletzt durch die Finanzkrise immer weiter abgenommen hat. Schweden ist ein Land mit geringer Bevölkerungsdichte und einer im Ländervergleich niedrigen Anzahl an Bankfilialen und Geldautomaten, was die Folge einer kosteneinsparenden Politik von Zentralbank und Geschäftsbanken ist. Die Bargeldkosten für den Einzelhandel erhöhten sich gegenüber elektronischen Bezahlverfahren und in Schweden kann der Weg bis zur nächsten Filiale oder Geldautomat schon mal 100 km betragen.
Ein ebenso großes Vertrauen wie in ihren Staat haben Schweden in die Möglichkeiten der Digitalisierung. Dies kommt sicher auch daher, dass in Schweden über Digitalisierung nicht nur geredet wurde, sie wurde auch konsequent umgesetzt. In Schweden läuft deshalb praktisch alles nur noch elektronisch. Deshalb ist Schweden auch das Land, in denen die Bürger so gut wie nichts mehr mit Bargeld bezahlen. Das meiste läuft über Kartenzahlung und die im Umlauf befindliche Bargeldsumme hat sich in den letzten 10 Jahren fast halbiert.
Überlegungen der schwedischen Reichsbank
Die Ausweitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs erhöht die Bedeutung des Giralgeldes. Dieses Geschäftbankengeld steht als Guthaben in den Büchern der Banken, ist aber effektiv nicht als Noten und Münzen im Umlauf. Elektronisches Geld stellt im Gegensatz zu Bargeld kein gesetzliches Zahlungsmittel dar. Auch Kryptowährungen sind grundsätzlich keine gesetzlichen Zahlungsmittel.
Mit der zunehmenden bargeldlosen Bezahlung und dem damit verbundenen Rückgang des Bargeldes zeigt sich hier das Problem der zunehmenden Digitalisierung des Zahlungsverkehrs. Privatpersonen und Unternehmen haben keinen direkten Zugang zu Zentralbankgeld mehr, denn nur Banken haben einen gesetzlich geregelten Zugang zu Zentralbankgeld (M0) in Form von Bargeld und Sichteinlagen.
Das Geld auf den Giro- und Sparkonten der Einleger ist lediglich eine Forderung gegenüber der Bank. Würde es also zukünftig kein Bargeld mehr geben, könnten Privatpersonen und Unternehmer von gesetzlichen Zahlungsmitteln abgeschnitten werden. Dies könnte sich sich vor allem in einer Krise realisieren. Wenn Banken pleite gingen, könnten die Forderungen der Kunden unwiederbringlich verloren sein. Trotz Einlagensicherung wird sich ein Staat wie Schweden die Frage stellen müssen, in welchem Umfang dies ein Finanzsystem verkraften kann.
Da es die Aufgabe der Zentralbank ist, das Vertrauen der Bürger in das Geldsystem zu erhalten, versucht die Schwedische Reichsbank mit der Einführung einer e-Krone gegenzusteuern. Sie wäre wie Bargeld gesetzliches Zahlungsmittel und würde den Bürgern den direkten Zugang zu Zentralbankgeld garantieren. Mit ihr könnten die Bürger über eine von der Zentralbank zur Verfügung gestellten Plattform alles elektronisch und in Echtzeit abwickeln.
Anders als beim Bitcoin ist dieses System nicht dezentral organisiert. Die Kontrolle bleibt bei der Zentralbank. Die Zahlungen bleiben nachvollziehbar und transparent. Mit dem Bitcoin hätte die e-Krone nur die Sicherheitsarchitektur einer Blockchain gemein. Außerdem würde sie auch nur für Schweden gelten.
Grenzen für eine Reduzierung des Bargeldes
Doch wie so oft führt die Lösung eines Problems zur Schaffung eines neuen Problems. Denn wenn jeder Bürger ein Zentralbankkonto erhalten kann, ist er beim bargeldlosen Bezahlen nicht mehr auf die Dienste der Geschäftsbanken angewiesen. Jeder Staat muss sich überlegen, ob er eine derartige Herabstufung seiner Geschäftsbanken wünscht und was das für die Bankenlandschaft in letzter Konsequenz bedeutet.
Grundlegende rechtliche Fragen sind noch unbeantwortet. Risikoabwägungen sind erforderlich. Es stellt sich auch die Frage, wie eine nahezu bargeldlose Gesellschaft bei einem digitalen Totalausfall bezahlen soll. Schon bei dem heutigen Stand der schwedischen Bargeldmenge würden die Schweden bei einem Totalausfall vermutlich nur noch 5 Tage überstehen. Auch sehen die Schweden das Risiko eines Cyberangriffs auf das digitale System, das Zahlungen lahmlegt und die schwedischen Bürger um ihre Ersparnisse bringt.
Fazit
- Das Vertrauen in digitale Zahlungssysteme basiert darauf, dass es für die Bevölkerung weiterhin das Bargeld als alternatives Zahlungsmittel im Handel und bei Banken gibt. Analog dazu wird die Bargeldmenge von vielen internationalen Währungen durch Goldreserven abgesichert, auch wenn seit 1976 der IWF eine feste Bindung der Bargeldmenge an den Goldstandard aufgehoben hat.
Die e-Krone soll, wie die Schwedische Reichsbank auch selbst sagt, kein Ersatz für das Bargeld als offizielles Zahlungsmittel sein, sondern lediglich eine Ergänzung. Der Grund für die Einführung der e-Krone ist eine Notwendigkeit, die sich aus dem digitalen Verhalten der Schwedischen Bürger ergibt.
- Jeder Rechtsstaat muss eine Grundversorgung an Bargeld für seine Bürger sicherstellen. Dies bedeutet auch zukünftig Investitionen zur Weiterentwicklung der Bargeldinfrastruktur. Dazu zählt der Zugriff der Zentralbank auf eine ausreichende Bargeldmenge, Akzeptanzstellen für Privatpersonen und Unternehmen im Einzelhandel, bei Geschäftsbanken und an Geldautomaten sowie ein effizientes Bargeldmanagement aller am Prozess Beteiligten.
Das schwedische Parlament im Herbst 2018 entscheidet über ein Gesetz, das Bargeld-Dienstleistungen in Schweden absichern soll. So sollen Geldautomaten oder Bankschalter für Schweden wieder innerhalb von 25km erreichbar sein. Damit wird die seit Jahren laufende Reduzierung von Bargeld in Schweden faktisch beendet.
- Die ganzheitliche Abschaffung von Bargeld stößt an technische und rechtliche Grenzen. Der kritische Bereich wurde in Schweden bei einem Bargeldanteil von ca. 20 bis 25% an den Transaktionen erreicht.
Die Grundversorgung mit Bargeld sollte in Rechtsstaaten ein Grundrecht darstellen. Die Abschaffung des Bargeldes lässt sich, wie die aktuelle Entwicklung in Schweden zeigt, deshalb nicht vollständig realisieren. Zumindest Teile der Bevölkerung sind heute schon in ihren Grundrechten beschnitten.
Ausblick
Die geografischen und sozialen Besonderheiten sind aber auch die Erklärung dafür, warum es aktuell kein anderes Land auf der Welt gibt, das bei der Einführung einer staatlichen Kryptowährung so weit fortgeschritten ist wie Schweden. Auch andere Staaten werden an die aufgezeigten Grenzen stoßen, wenn aufgrund des verändernden Nutzerverhaltens hinzu elektronischen Bezahlung die benötigte Bargeldmengen auf lange Sicht sinken. Aller Voraussicht nach werden beide Systeme nebeneinander Bestand haben. Projekte zur Optimierung des Bargeldkreislaufes sind deshalb mehr denn je notwendig.
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Quellen: Bertelsmann-Stiftung 2018; Deutsche Wirtschaftsnachrichten im Mai und Juni 2018; Amanda Billner and Rafaela Lindeberg in Bloomberg News, April 2018; Business Insider Deutschland, April 2018; Finanz und Wirtschaft, Dez. 2016, Zentralbanken der Länder, IWF 2018